Es ist ein Irrglaube, dass der Rückzug des IS aus einst von ihm besetzten Gebieten des Iraks zu einem Abschwellen des Terrorismus führen wird. Uwe Gerstenberg geht in seinem neuesten Expertenbeitrag für den FOCUS der Entwicklung der Terrormiliz hierzulande nach. Insbesondere die Frage, ob die Struktur des IS in Deutschland eher mit einer Organisation oder mit “einsamen Wölfen” (so auch die Überschrift) verglichen werden kann, steht dabei im Mittelpunkt.
Terroristen zehren von Schmuggel und digitaler Kommunikation
Die Kraft des IS bzw. seiner Kämpfer begründet sich neben der fanatischen Ideologie nach wie vor auf seinen nicht trocken zu legenden Ressourcen. Dies betrifft vor allem den Drogenschmuggel in Nord-Algerien, in Verbindung mit Boko Haram, Nigeria, und die weiter schier unausschöpflichen Mittel der digitalen Kommunikationswege. Not tut eine noch größere Verzahnung und Zusammenarbeit der europäischen Geheimdienste untereinander. Die Intelligence Services müssten dabei auch private Sicherheitsfirmen und Anrainerstaaten der EU mit einbeziehen. Als Folge, so Gerstenberg, droht eine “euro-dschihadistische Sphäre”, die ihre Verbindung vom Kalifat im Mittleren Osten nach Europa über die digitale Welt aufrechthält. Als einer der Hauptvektoren nennt Gerstenberg hier Facebook. Aber auch hochprofessionell erstellte Propagandavideos, die den Anschein eines Dokumentarfilms erwecken, reichen bis in die Wohn- und Kinderzimmer Europas, und auch Deutschlands.
Keine Lone-Wolf-Akteure mehr
Geheimdienste müssten in der Erkennung und Bekämpfung der Radikalisierung zudem umdenken, so Gerstenberg. Junge Männer (und Frauen) müssen nicht länger in ein Ausbildungscamp nach Syrien, oder sich anderweitig im Kampf beweisen. Vielfach kommt es bereits zu folgenden Szenarien:
- Täter wie Anis Amri laden sich Handbücher des IS im Internet herunter,
- die Attentäter von Würzburg und Ansbach standen per Kurznachrichtendienst mit dem IS in Kontakt,
- sowie ein weiterer Faktor der Radikalisierung sind die europäischen Gefändnisse.
Diese wirken oft als Katalysator einer Persönlichkeitsmanipulation sowie von Anschlagsplanungen. Beispiele dafür gibt es vor allem aus der jüngeren französischen Terrorismusgeschichte.
Deutsche Bundesregierung muss vorsorgen
In Deutschland seien die Gefängnisse zum Glück noch nicht so überfüllt wie in Frankreich, sagt Uwe Gerstenberg. Trotzdem müsse der Bund hier mit Experten und geschultem Personal für eine bessere Wiedereingliederung von islamistischen Straftätern sorgen. Bisher schient der Beginn dieser Programme erst viel zu spät geplant zu sein — 2018. Weiterlesen:
Der Artikel im FOCUS: Viel zu lange wurden vom IS inspirierte Täter als “einsame Wölfe” abgetan